Eine Analyse der Gewinner

Von US Coach Bernie Pellerite. Aus dem US Archer übersetzt von Heiko Herling.

In den letzten Jahren wurde viel über Schießtechnik und Bogentuning geschrieben. Sehr viel weniger wurde über die mentale Komponente unseres Sportes gesagt. Deshalb lassen Sie uns einen Blick werfen auf einige Schlüsselkomponenten wie Persönlichkeit, Disziplin, Konzentration, Vertrauen, Selbstprogrammierung, Erwartung, Goldfieber, Zielvorgang, bewusstes und unbewusstes Denken und wie all diese Faktoren mit dem Bogenschießen auf höchstem Wettkampfniveau zusammenhängen.

Persönlichkeit
Wie ich schon in früheren Artikeln beschrieben habe ist die Persönlichkeit eines Schützen ausschlaggebend für dessen Erfolg oder Misserfolg. Bei Untersuchungen in den USA habe ich festgestellt das die meisten Spitzenschützen keine analysierenden und kontrollierenden Menschen sind, außerdem sind sie nicht risikobereit. In der NFAA Bogenschützenschule sprechen wir hauptsächlich von vier Persönlichkeiten :

  • Der A – Typ (Kontrollierer)
  • Der Analysierer (Denker)
  • Der Intuitive / Kreative
  • Der B – Typ (Konzentrierte)

Wir sind alle mindestens eine Mischung aus zweien dieser Persönlichkeiten, wovon eine unsere dominante ist. Die ersten drei Persönlichkeitstypen sind alles andere als ideal für immer perfekt gleiche Wiederholungen eines Bewegungsablaufes wie dies beim Bogenschießen der Fall ist. Im Laufe der Jahre habe ich herausgefunden, dass ein Großteil der Schützen (diejenigen die nicht zu den Sieger zählen) zu den ersten drei Kategorien gehören…nur sehr wenige zählen zur vierten. Die meisten Schützen sind nicht in der Lage sich bei vollem Auszug länger als den Bruchteil einer Sekunde auf nur Eines zu konzentrieren, dies ist für Spitzenergebnisse aber notwendig. Ihre Gedanken wandern hierhin und dorthin, vom Ziel zu Teilen des Bogens und zu ihrem Schießstiel (normalerweise zu ihrem Finger am Trigger etc.) zu all den Dingen die sie auf einmal kontrollieren wollen. Ich sage nicht, das dieser Weg nicht auch funktionieren kann, man muss nur sehr lange und sehr hart daran arbeiten! Auf der anderen Seite sind Spitzenschützen in der Lage ihre Konzentration auf genau eines zu fokussieren…DAS ZIELEN! Ihre Gedanken tendieren nicht dazu hin- und her zu wandern, zu analysieren oder zu kontrollieren. Diese Schützen sind eine sehr kleine Minderheit.

Zuordnungen
Es erscheint mir wichtig zu verstehen das die Bogenhersteller selbst einige der Probleme verursachen mit denen viele Schützen heute zu kämpfen haben. So werben alle Hersteller mit Siegen und Ergebnissen, die Profis mit ihrem Produkt erzielt haben. Generell ist an dieser Art Werbung nichts auszusetzen. Aber man sollte sich als Käufer klar darüber sein das diese Profis eine sehr kleine Minderheit sind und wahrscheinlich mit jedem Produkt gewinnen würden. Wir, die große Mehrzahl der Schützen, kriegen durch diese Werbung die falsche Information das ein bestimmter Bogen etwas an unserem Schießen und unseren Ergebnissen ändern würde. Dies ist der falsche Ansatz. Wir können eben nicht einfach so schießen wie Profis. Diese Schützen haben konzentrierte, geordnete Gedanken und sind meist „Typ B’s“, d.h. sie sind ruhig, gelassen und gefasst, meist introvertiert . Sie sind nicht besonders daran interessiert oder gar besorgt über ihren letzten Schuss und sie denken nicht darüber nach was bei irgendeinem zukünftigen Schuss alles passieren könnte. Sie sind nur konzentriert auf den Ablauf des momentanen Schusses, nicht auf dessen Resultat. Da die meisten Sieger „Typ B’s“ mit sehr geordneten Gedanken sind, haben sie kein Problem die vielfältigen Anforderungen eines perfekten Schusses unterbewusst zu meistern ohne zu versuchen irgendeine davon zu kontrollieren. Im Gegensatz dazu sind die meisten von uns zu sehr resultatorientiert. Wir sind zu sehr besorgt wo, wann und wie der Schuss verlaufen wird anstatt den ganzen Prozess unbewusst ablaufen zu lassen.

Definition des Bogenschießens
Sobald wir verstanden haben welchen Einfluss unsere Persönlichkeit hat können wir unsere Schwierigkeiten angehen. Zuerst ist es wichtig zu verstehen das Bogenschießen kein Sport sondern eine Disziplin ist! Bei wirklichen Sportarten hat man viele Variationsmöglichkeiten wegen des Einflusses der Gegner oder anderer Faktoren. Beispiele anderer Disziplinen die fälschlich als Sport bezeichnet werden sind Golf, Pistolen- und Gewehrschießen, Tauchen, Billiard und Diskuswerfern um nur einige zu nennen. Die meisten wirklichen Sportarten haben Teile die als Disziplin zu bezeichnen sind. So ist z.B. im Tennis der Aufschlag eine Disziplin der Rest des Spiels ist Sport. Disziplinen verlangen die völlige Konzentration auf eine einzige Tätigkeit, wohingegen man z.B. im Tennis, Fußball oder Basketball sein Verhalten dauernd variieren kann und sogar muss um zu gewinnen. In der Disziplin Bogenschießen jedoch wirkt sich die kleinste Modifikation negativ aus. Zum Beispiel versuchen viele Schützen „diesen Schuss ein bisschen besser zu machen als den letzten“ oder „dieses Mal mehr Rückenspannung aufzubauen“ oder „jetzt mehr auf Druck Zug zu achten“ usw. Das Wettkampfschießen kann zusammengefasst werden als Schuss…exakte Wiederholung. Wie auch immer ihr Schießstil ist, ob er nun „der Lehre“ entspricht oder völlig konträr dazu ist, eines ist ungemein wichtig. Alle Schüsse müssen exakt gleich sein. Die meisten Trainer sind sich einig das die schwierigste Aufgabe eines jeden Sports exakt gleiche Wiederholungen sind, immer und immer wieder. Einige Schießstile erleichtern das exakte Wiederholen und dies sind die Stile die wir in den USA lehren. Generell aber gilt, das ein Schütze mit fürchterlichem Stil und ungetuntem Bogen, der mit 100% seiner Konzertration zielt, immer besser sein wird als ein Schütze mit perfektem Stil und präzise getuntem Bogen, wenn dieser es nur schafft mit höchstens 50% seiner Konzentration zu zielen. Das Ultimative ist natürlich der Schütze mit perfektem Stil, präzise getuntem Equipment der zu 100% ins Zielen vertieft ist !

Zielen : Was ist wichtig, was nicht.
Was ist zielen ? Die meisten haben ein falsches Verständnis vom Zielen und von den Dingen auf die es ankommt.

  1. Zielen ist nichts physisches…zielen ist mental !
  2. Alles was beim Bogenschießen bewusst abläuft birgt Probleme.
  3. Das Problem des Bogenschießens heißt Erwartung und diese wird uns jeden Schuss ein wenig anders durchführen lassen. Erwartung ist der erste Schritt zum „Goldfieber“. Kurzum, wenn wir erwarten haben wir Angst nicht zu treffen.
  4. Alles was unbewusst durchgeführt wird birgt keine Probleme und wird nicht erwartet. Wenn wir z.B. eine schlechten Stil haben, dieser aber unbewusst geschossen wird sind wir in der Lage jeden Schuss exakt zu wiederholen.
  5. Dinge die wiederholt bewusst ablaufen, werden immer analysiert und dann gewöhnlich von dem analytisch kontrollierenden Schützen geändert. Wenn wir bewusst schießen versuchen wir physisch den Pin genau in der Mitte zu halten und gleichzeitig bewusst den Schuss auszulösen.

Generell wird das Bogenschießen ganz anders angegangen als viele andere Sportarten. Im Baseball z.B., wenn wir den Ball zum Catcher werfen, schauen wir nicht zum Ball sondern dorthin wo der Ball treffen soll. Wir kümmern uns nicht darum wie wir den Ball abwerfen oder wie unsere Finder den Ball loslassen. Sobald wir den Ball bewusst gegriffen haben vertrauen wir darauf das der Griff in Ordnung ist und unsere Konzentration bündelt sich jetzt an dem Punkt wo der Ball treffen soll, nicht an dem Ball selbst oder unserem Wurfarm. Das Selbe gilt für den Basketballnetzwurf. Sobald wir bereit sind für den Schuss untersuchen oder verändern wir nicht mehr den Griff des Balls oder denken an den Wurfarm. Wir konzentrieren uns einzig auf das Netz wo der Ball hin soll und schießen unbewusst. Im Bogenschießen jedoch gehen wir dies anders an. Ich habe viele Schützen gefragt worauf sie bei vollem Auszug achten. Die Antwort ist gewöhnlich : “ Ich ziele und dann erhöhe ich den Druck auf den Auslöser“. Glauben Sie es oder glauben Sie es nicht aber genau dies ist das Problem. Wir sollten nicht zielen und dann den Druck auf den Auslöser erhöhen. Der Ablauf sollte folgendermaßen sein :

  1. Bei vollem Auszug ankern und den Bogen ausrichten.
  2. Den Lösevorgang beginnen.
  3. Vertiefe Dich 100% ig ins Zielen.

Es ist wichtig zu verstehen das das Ausrichten des Bogens noch kein zielen ist. Der Pin muss dabei noch nicht genau auf dem X stehen. An diesem Punkt darf kein Gedanke daran verschwendet werden wo der Pfeil treffen könnte. Zielen ist die völlige Konzentration auf die Mitte der Auflage ohne kurze Gedankenblitze oder Unterbrechungen (z.B. „Wie hält die Hand das Release“ oder „Stimmt die Schulterhaltung“ usw.). Diese Gedanken sollten schon während des Ankerns stattgefunden haben. Sobald wir geankert haben (Bogen ausgerichtet, Schulterspannung, Finger am Release etc.) sollten wir uns als nächstes für den Schuss entscheiden oder absetzen. Sobald wir uns für den Schuss entschieden haben sollte der Beginn des Lösemechanismus einsetzen, wobei wir unsere persönliche Lösemethode als Motor bezeichnen wollen. Sobald wir den Motor gestartet haben und der Lösevorgang begonnen hat sollte es normalerweise 3-5 Sekunden dauern bis der Schuss bricht (wenn wir einen gut trainierten unbewussten Motor haben). Sobald der Motor gestartet hat müssen wir also darauf vertrauen das es 3-5 Sekunden dauert bis der Schuss bricht und unsere Konzentration jetzt vollständig und 100%ig dem Zielen zuwenden. Nehme Dir in Gedanken das Molekül in der Mitte des X und brenne Deine Konzentration genau auf diesen Punkt. Versuche den Pin genau dort zu halten. (Keine Sorge wenn er sich ein bisschen bewegt, das ist normal). An diesem Punkt können wir nicht mehr in Gedanken zurück wandern und z.B. überprüfen ob der Motor noch läuft, oder versuchen ihn zu unterstützen oder zu beschleunigen. Auch sollten wir nicht analysieren wann und wie der Schuss bricht. Wenn wir dies tun wird sich der Pin aus der Mitte bewegen! (Dies ist der Punkt wo die meisten Schützen Probleme haben). Wir müssen lernen zu vertrauen das der Schuss brechen wird und nicht bewusst das Lösen herbeiführen. Um dies zu erreichen müssen wir es schaffen den Motor auf einer unbewussten Ebene laufen zu lassen. Dies kann man erreichen indem man sehr intensiv ohne Auflage trainiert (normalerweise 2000 – 3000 Schuss) bis alles automatisch und unbewusst abläuft, oder man benutzt einen der Bogensimulatoren die auf dem Markt sind. Mit beiden Methoden können wir unser einprogrammiertes Goldfieber löschen und uns auf Rückenspannung, Zielen und andere kritische Bereiche des Schusses positiv programmieren.

Vertrauen Sie Ihrem Programm
Die beiden oben genannten Methoden benutzen wir um unser Programm, den Motor, zu entwickeln. Als Beispiel wie dieses Programmieren funktioniert machen ich mit meine Schülern gerne einen kleinen Test. Ich sage einem Schüler er soll quer durch den Raum laufen und eine Tür öffnen. Sobald er seine Hand auf die Türklinke legt lasse ich ihn anhalten und frage ihn „Wie bist Du dort hingekommen?“. Die Antwort ist immer „Ich bin gelaufen“. Ich frage dann „Hast Du daran gedacht einen Fuß vor den anderen zu setzen?“. Die Antwort ist immer nein. Ich frage dann an was er gedacht hat als er lief ? Die Antwort ist meist „An die Türklinke“. Unser bewusstes Denken sagt „Lauf“ und unser unbewusstes Programm, unser Motor, übernimmt in einer Millisekunde. Alles was unser bewusstes Denken dann noch beschäftigt ist sich darauf zu konzentrieren wo es hingeht… in diesem Fall zur Türklinke. Wir verlassen uns vollkommen darauf das unser unbewusstes Programm uns durch den Raum bringt, ohne Unterstützung, Führung oder sonstige Einflüsse. Der Schuss mit einem Bogen ist genauso. Das bewusste Denken sagt „Starte den Motor“ und das unterbewusste Programm des Lösemechanismus übernimmt (Wie beim Laufen). Alles was dann noch bewusst ablaufen muss ist die totale Konzentration auf das Zielen (Die Türklinke). Wir müssen uns darauf verlassen das unser Motor seine zugewiesene Aufgabe ohne bewusstes Denken erfüllt, genauso wie wenn wir einen Fuß vor den anderen setzen.

Wettkampfstress und seine Konsequenzen
Wenn es, wie im Training, nichts zu verlieren gibt und auch sonst nichts auf dem Spiel steht, schaffen wir es vielleicht konzentriert zu zielen und den Rest unbewusst ablaufen zu lassen. Wenn der Schuss jedoch wichtig ist und es wie im Finalschiessen viel zu verlieren gibt kann es vorkommen das wir nicht mehr darauf vertrauen das unser Programm selbstständig abläuft. Wir kriegen den übermächtigen Impuls alles zu überwachen um sicher zu sein das alles so abläuft wie es sollte da ja viel auf dem Spiel steht. Als Folge davon wird sich mental folgendes abspielen : „Ok, den Pin in die Mitte. Jetzt volle Konzentration auf den Lösevorgang, Mist, der Pin ist nicht mehr in der Mitte, schnell wieder zurück damit, oh ich habe aufgehört die Spannung zu erhöhen, sofort korrigieren, Mist der Pin ist wieder aus der Mitte gewandert, das nächste Mal wenn ich in die Nähe des X komme drücke ich drauf.“ Dies ist typisch für jemanden der den gesamten Ablauf nicht verstanden hat.

Die Augen gegen das Unterbewusstsein
Der Ablauf nachdem wir geankert haben ist einfach. Den Bogen ausrichten, den Motor starten und sich dann sofort ins zielen vertiefen bis der Pfeil den Bogen verlassen hat. Einfach, oder ? Zumindest für die Typ B?s , die kein analytisches, risikobereites und kontrollierendes Gen haben, ist es auch einfach. Für den Rest ist es jedoch deutlich schwieriger. Die meisten Schützen denken das das visuelle Einmitten des Pins auf der Scheibe Zielen ist. Das Geheimnis ist : die Augen können den Pin in die Mitte führen aber sie können ihn dort nicht halten ! Dies können nur unsere bewussten Gedanken. Aber nur dann wenn sie 100% aufs Zielen gerichtet sind. Unser Denken wird unsere Augen immer überstimmen. Wenn wir z.B. die Wörter „Hamburger“ oder „Fussballspiel“ lesen sehen wir in Gedanken sofort einen saftigen Hamburger oder eine Fußballmannschaft obwohl unsere Augen auf dieses Blatt Papier sehen. Das Selbe passiert beim Schießen. Die Augen sehen den Pin in der Mitte aber unser Denken überstimmt die Augen und sieht den Finger am Trigger. Wenn wir dann mit unseren Gedanken zurück zum Zielen wandern entdecken wir das wir die Mitte verloren haben weil wir uns nicht für die kurze Zeitspanne des Lösevorgangs voll auf das Zielen konzentriert haben. Stattdessen dachten wir an den Auslöser. Unsere Augen sind nur Kameras ohne Einfluss auf unser Handeln, nur unsere Gedanken sind dazu in der Lage.

Das perfekte Zielbild ?
In der Schützenschule lehren wir das das perfekte Zielbild des ruhig in der Mitte stehenden Pins nicht unbedingt das Maß aller Dinge sein sollte, etwa wie bei einem aufgelegten Gewehr mit Zielfernrohr. Es ist völlig in Ordnung wenn der Pin sich etwas bewegt. Man nennt dies den natürlichen Bewegungsradius. Dies ist völlig natürlich und sollte uns nicht beschäftigen da wir ein zentrierendes Unterbewusstsein haben das den Pin immer zurück in die Mitte führen wird (solange wir uns bewusst aufs Zielen konzentrieren). Man kann dies testen indem man mit Zeigefinger und Daumen einen Kreis (wie ein Scope) macht und sich auf ein Ziel konzentriert. Nicht auf die Hand sehen, nur auf das Ziel. Nach einigen Sekunden wirklicher Konzentration auf die Mitte der Zieles wird es sich immer in der Mitte des Kreises befinden ohne ständiges bewusstes korrigieren. Hier arbeitet unser Unterbewusstsein , wir müssen ihm nur vertrauen.

Es ist oft ein langer Weg bis wir erkennen, das es keinen anderen Weg gibt perfekt Bogen zu schießen. Solange werden viele Schützen mental vor und zurück springen, vom Zielen zum Trigger und zurück bis dann bewusst der Schuss ausgelöst wird. Dann fängt sie an, die Angst nicht zu treffen, besonders wenn der Schuss zählt. Dies ist der erste Schritt zum Goldfieber und wo dieses endet wissen wir alle…. wir gehen uns eine Angel kaufen. Deshalb ist es für viele der kontrollierenden und analytischen Schützen ein erleuchtender Moment wenn sie den gesamten Prozess verstanden haben und dies hat die Perspektive vieler Schützen verändert. Ich hoffe das Sie die hier gegebenen Ratschläge anwenden können und auf diese Weise ihr Schießen perfektionieren.